Auszug dem Buch "Video ausstellen. Potenziale der Präsentation" von Dr. Katharina Ammann
ISBN978-3-0343-0037-7

"...Eine letzte Möglichkeit einer öffentlichen Ausstellungsform als Alternative zur Black Box soll hier noch erwähnt werden. Der zentrale Raum der Ausstellung Daumenkino in der Kunsthalle Düsseldorf verfügte über eine weitgehend konventionelle Ausstellungsgestaltung. Der Saal mit seinen im Raum und vor den Fensterfronten angebrachten Stellwänden, die als Projektionsfläche dienten, hätte leicht überladen wirken können. Die Ausstellungsmacher vermieden diesen Eindruck, indem sie nicht alle Projektionen gleichzeitig laufen liessen (Abb..). Auf diese Weise war die direkte Konkurrenz zwischen den eng platzierten Projektionen abgeschwächt, ohne dass auf eine absolute räumliche Abtrennung im Sinne einer Black Box zurückgegriffen werden musste. Erwähnenswert ist ein quasi gegenteiliger Entwurf bei euroscreen21projects (2005),wo alle Projektionen im Raum gleichzeitig liefen, aber alle mit demselben, synchronisierten Programm (51: Es handelt sich um das Ausstellungsprojekt der Künstler Judith Nothnagel und Hubert Baumann im Museum Stadt Wesel, 2005). So wurde das Problem der Tonüberlagerung vermieden und gleichzeitig dem üblichen Verhalten des Besuchers entsprochen, der frei von einem Bild zum anderen wandern konnte. Bei einem Videoprogramm mit 39 hintereinander laufenden Arbeiten war dennoch keine zeitliche Kongurenz zwischen dem laufenden Bild und dem mobilen Betrachter zu erlangen, auch wenn auf die Black Box verzichtet wurde, die üblicherweise den Ausstellungsrundgang im langsamen Schlendern unterbricht.
... Das auf kuratorischer Ebene verstärkt über die Präsentation und den Raum von Video nachgedacht wird, hat nicht zuletzt mit der inhaltlichen Verräumlichung der Videokunst- durch immersive und installative Formen-innerhalb eines allgemeinen "spatial turn", einer neuen Hinwendung zum Raum in den Geistes-und Sozialwissenschaften zu tun. (53= Die Digitalisierung hat zu Thesen der Aufhebung von Raum und Distanzen geführt (z.B. bei Virilio, Baudrillard, Weibel, Flusser).....)

Buchrückseite: "...Diese Studie liefert erstmals konkrete Ergebnisse, wie sich bei Videokunst die Art der Präsentation auf die Rezeptions- und Entwicklungsgeschichte dieses Mediums auswirkt. Da der latente, nicht präsentierte Zustand eines Videos in keiner Weise dem sichtbaren Endprodukt entspricht, erhält der Prozess des Ausstellens eine ungewöhnliche Relevanz. Wird dieselbe Videoarbeit anders interpretiert, wenn sie in der Black Box, im White Cube, als Einzelpräsentation oder in einer Videolounge gezeigt wird? Und warum stellt Video, trotz vierzigjähriger Ausstellungspraxis, für Kuratoren und Publikum nach wie vor eine Herausforderung dar? 50 kommentierte und abgebildete Fallbeispiele von der documenta 1972 bis zu Ausstellungen im Jahr 2006 beleuchten das produktive Spannungsverhältnis zwischen Künstlern, Kuratoren und Besuchern, beziehungsweise zwischen Werk, Präsentation und Rezeption. Die Analysen der verschiedenen Inszenierungsstrategien legen nicht nur offen, in welchem Mass die Werkwahrnehmung vom jeweiligen Präsentationsmodus abhängt, sondern bieten Antwort auf die zentrale Frage, ob und wann die Präsentation konstitutiver Teil des Kunstwerks ist...."

Die Autorin: Katharina Ammann (*1973) studierte Kunstgeschichte an den Universitäten Genf, Oxford und Bern. Von 2000-2004 war sie Assistentin am Kunstmuseum Solothurn, 2005-2006 erhielt sie ein Stipendium des Schweizerischen Nationalfonds für einen Forschungsaufenthalt am Zentrum für Kunst- und Medientechnologie Karlsruhe (ZKM). 2008 Promotion an der Universität Bern, seither Konservatorin am Kunstmuseum Chur. Publikationen, Jurierungen und Ausstellungsprojekte überwiegend im Bereich der zeitgenössischen Kunst.